Modellbasierte Abrechnung

Nachlese zur Gruppendiskussion im Rahmen des Praxis-Forums der Plattform 4.0 zum Thema AVVA.

 

Der Prozess „Ausschreibung, Vergabe, Vertrag und Abrechnung“ bestimmt weitgehend Erfolg oder Misserfolg von Bauprojekten. Was wird die Digitalisierung an diesem Prozess verändern? Was soll sich verändern und was können wir aus Anlass der Digitalisierung verbessern?

Mit diesen Themen beschäftigte sich das Praxis-Forum der Plattform 4.0. am 21. November 2018. Rund 70 Gäste folgten der Einladung und diskutierten über BIM, neue Werkzeuge wie Merkmalserver und BIM Libraries in Entwicklung und praktischem Einsatz, modellbasierte Ausschreibungen, Vergaben und Abrechnung, uvm.

Professor David Mosey vom King’s College in London berichtete in seiner Keynote „Early Contractor Involvement, Alliances & BIM Successful Procurement Strategies and Case Studies“ über die aktuelle Situation im UK und international. Im Anschluss folgten drei Fachdiskussionen aus Wissenschaft & Praxis. 
Frau DI Monika Ilg, Softwareentwicklung ABK, moderierte gemeinsam mit Herrn Ing. Robert Piererfellner, Stadtbaudirektion Wien, zu folgendem Thema: "Modellbasierte Abrechnung – Eine neue ÖNORM entsteht. Anforderungen aus der Praxis, aus Sicht AG, aus Sicht AN. Was können digitale Modelle in 4D und 5D heute schon? Was können sie beitragen?"

Vorstellungen und Erwartungen zum Thema „modellbasiertes Abrechnen“

Grundsätzlich sollte die Methode OPEN BIM in der Praxis und speziell im Bereich AVVA umgesetzt werden. Modellbasiertes Abrechnen setzt aber ebenso ein modellbasiertes Ausschreiben voraus. In dem Modell -  das der Ausschreibung zugrunde liegt - müssen alle Modellelemente als spezifizierte Bauteile mit Größe, Form, Lage und Material enthalten sein. Genaue Spezifikationen z.B. Modelltyp und Anschlussleistung sind festgelegt.

Die Erwartungshaltung aller Diskussionsteilnehmer bestand darin, dass dieses Modell für die Abrechnung gelten sollte. So wie das Vertrags-Leistungsverzeichnis die Basis für das Abrechnungsleistungsverzeichnis ist, ist dieses Modell die Basis für die Abrechnung. Es muss allen erdenklichen Überprüfungen sowie Revisionen standhalten und letztendlich sichergestellt sein, dass alle Beteiligten dem Modell vertrauen können.

Der Idealfall für den Auftraggeber wäre, dass alle Informationen, die während der Ausführungsphase anfallen, rückgeführt werden. Ein Wissenszuwachs für das folgende Projekt wird dadurch gewährleistet. Einer „nachträglichen“ Einarbeitung von Informationen und der Datenpflege standen die Diskussionsteilnehmer jedoch mit Skepsis gegenüber.

Bedenken hatte auch einige Teilnehmer, weil die neue Methode BIM technische Anforderungen (z.B. das Abrechnen mit mobilen Geräten vor Ort durch Techniker) und  ein großes Know-How voraussetzt. Diesen Ansprüchen wird man nicht immer entsprechen können. Daher resultiert die Anforderung, dass beide Methoden für die Abrechnung eines BIM-Projektes möglich sein müssen.

Außerdem wurde festgehalten, dass bei der herkömmlichen Methode unternehmensinterne Prozesse auf Daten der Kalkulation zugreifen. So gibt es meist eine Anbindung auf die der Arbeitskalkulation folgenden Bestellung zu einem ERP-Softwaresystem.  Die neue Methode muss mit bestehenden EDV-Systemen kompatibel sein.

Ausschreibung und Abrechnung auf „modellbasiertem“ Weg

Aufbauend auf einem 3D-Modell wird ein Leistungsverzeichnis erstellt. Dafür wird jedem Bauteil-Element der IFC-Datei zumindest ein entsprechendes Element aus einem Elementkatalog zugeordnet. Jedes dieser Elemente besteht u.a. aus den zugehörigen Positionen. Die Mengen hierfür werden aus den „Base Quantities“ der IFC-Datei ausgelesen. So wird parallel zur IFC-Datei eine Projektelementliste aufgebaut.

Aus dieser Liste entsteht ein Leistungsverzeichnis, welches gemeinsam mit dem IFC-Modell ein Datenpaket bildet. Dieses „Ursprungsmodell“, welches auch für die Ausschreibung herangezogen wird, wird für die Phase Abrechnung „eingefroren“. Es entspricht inhaltlich dem Vertrags-Leistungsverzeichnis. Zu diesen beiden Dateien gibt es noch eine zusätzliche Projektelementliste. Sie entspricht dem Abrechnungs-Leistungsverzeichnis und beinhaltet die Soll-Werte bis zur Schlussrechnung, Mit der Schlussrechnung sind die Ist-Werte fixiert.

Wer, wann ein "Soll-Modell" für den Ausführungsprozess und ein "Ist-Modell "für künftige Sanierungen erstellt, muss vertraglich vereinbart werden.

Berechnungsmethode

Am Beispiel einer Stahlbetonwand wurde die Methode der Mengenberechnung dargestellt. Bei einem Element sind alle erforderlichen Positionen mit Faktoren bzw. anteiligen Mengen hinterlegt, die mit Variablen auf Größen des IFC-Elementes referenzieren. Dadurch kann das Volumen für die Betonposition und die Fläche für die Schalung ermittelt werden.

Gemäß ÖNORM A6241-2 ist eine Abrechnung mit den modellierten Mengen vorgesehen. Die Abrechnungsregeln aus den entsprechenden Werkvertragsnormen sind als Vereinfachung für die korrekte Mengenberechnung entstanden. Bei einem „as-build“ Modell ist diese Annährung nicht mehr nötig. Künftig wird man mit Modell oder mit der Projektelementliste auf der Baustelle jene Elemente markieren, die abzurechnen sind. Dadurch werden für Positionen Ausmaßzeilen in der Abrechnung generiert, die mit der Elementherkunft versehen sind. 

Auch ein nachträglicher Materialwechsel ist aufgrund der Projektelementliste problemlos möglich. Zudem kann daraus in Folge ein Zusatzangebots-LV erstellt werden.

Konnex zwischen IFC-Modell und dem Leistungsverzeichnis

Als Verbindung zwischen IFC-Modell und Leistungsverzeichnis dient die Projektelementliste. Diese Liste kann durch Zuordnung aus einem Elementkatalog aufgebaut werden. Diese Elemente enthalten für den Arbeitsbereich AVA alle nötigen Merkmale. Der umfangreiche Merkmalserver der ÖNORM A6241-2 und IFC-Standardisierungen bilden die Basis.

Ziel ist, dass die Anzahl der Merkmale möglichst gering und überschaubau gehalten wird. Bei den Elementen können Merkmale mit sogenannten Bedingungen verknüpft werden, damit das richtige Element oder die richtige Positionsmenge ermittelt werden kann. Diese Berechnungen basieren auf geometrischen Werten, die von IFC standardisiert wurden. Daher ist sichergestellt, dass die Berechnung bei jeder (zertifizierten) Software gleich ist.

Bedingungen werden auch eingesetzt, um Positionen zu aktivieren, wenn ein bestimmtes Schalldämmmaß einzuhalten ist.

Erste Bedenken, dass durch die Bedingungen Betrugsmöglichkeiten entstehen könnten, können dahingehend relativiert werden, da die in der Projektelementliste abgebildeten Bedingungsregeln einen Vertragsbestandteil bilden, wodurch sich im Wesentlichen kein Unterschied zur jetzigen Situation ergibt.

Ziel wird es sein, diese Bedingungen in den Standardisierten Leistungsbeschreibungen zu hinterlegen, um einem erhöhten und unübersichtlichen Arbeitsaufwand entgegen zu wirken.

Für die nicht im Modell zu zeichnenden Elementen und Positionen – z.B. mit den Baustellengemeinkosten - gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Entweder werden „Dummy-Elemente“ im Modell gezeichnet und anschließend in der Projektelementliste mit Positionen hinterlegt
  • oder die betreffenden Positionen werden in einem Element „Baustellengemeinkosten“ in die Projektelementliste aufgenommen.

Lt. Praxiserfahrungen sind auch „Zwitterlösungen“ praktikabel. D.h. alles Gezeichnete wird gemäß der BIM-Methode abgerechnet - alles andere wie etwa Baustellengemeinkosten, Regieleistungen, uvm auf herkömmliche Art und Weise.

Vertraglich ist zu definieren, wie man mit Leistungen umgeht, die nicht in der IFC-Datei vorhanden sind. Entweder ist die Projektelementliste zu vervollständigen oder Ergänzungen werden erst im LV gemacht. Technisch ist beides möglich; nachvollziehbarer sind alle Änderungen, wenn sie in der Projektelementliste nachgetragen wurden. 

Der Weg über den Elementkatalog bzw. der Zwischenschritt mit der Projektelementliste bringt Vorteile mit sich.

  • Da jedes Element übersichtlich angezeigt wird, kann es daher auch besser kalkuliert werden.
  • Über Standardelemente kann man auch viel mehr Informationen mit geringem Aufwand beim Element verankern: neben Positionen für die Errichtung auch Positionen für die Wartung, Produkte, Öko-Kennwerte und bauphysikalische Kennwerte… 
  • Da die alleinige Projektelementliste bspw. im xml-Format ausgetauscht werden kann - was für typische Subunternehmerleistungen ausreichend wäre - können auch technisch weniger gut ausgestattete Subunternehmer in den Prozess miteingebunden werden.
  • Ganz nebenbei ist die Projektelementliste auch die Basis für das LV. 
     

Die richtige Datenpflege

Das IFC-Modell muss nicht bei jeder Abrechnung mitgeführt werden. Dies würde einen zu hohen Aufwand darstellen. Vielmehr sollte dies einmalig nach Abschluss der Abrechnung erfolgen.

Ob nun der Auftraggeber oder der Auftragnehmer für das Pflegen des Modells zuständig sein sollte, dafür wird sich bald ein Best-Practice-Modell in der Praxis etablieren.

Quelle:Mitschrift Stefan Perschy, BSc.: Modellbasierte Abrechnung, im Rahmen des Praxisforums der Plattform 4.0 zum Thema AVVA Ausschreibung/Vergabe/Vertrag/Abrechnung, 21.11.2018