Spekulation und Kostenumlagerung

Die Kalkulationsfreiheit bei Angeboten ist begrenzt. Doch wo liegen diese Grenzen?

 

Die Kalkulationsfreiheit bei Angeboten ist begrenzt. Manche (vor allem Auftraggeber) meinen, dass „Spekulation“ immer diese Grenze überschreitet.

Tatsächlich trägt das Vergaberecht zu dieser strengen Ansicht bei, weil die „spekulative Preisgestaltung“ in § 141 Abs 1 Z 3 und § 302 Abs 1 Z 3 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG) als Beispiel für einen zwingenden Ausscheidensgrund genannt wird.

Grenzen der Spekulation
Die Spekulation im Sinne der Erwartung (oder Hoffnung) des Bieters auf das Eintreten gewisser künftiger Entwicklungen ist nicht schlichtweg verboten. Die Kalkulation ist immer und zentral eine Prognose künftiger Kosten und damit auch mit Erwartungen und Hoffnungen untrennbar verbunden.

Vergaberechtlich ist die Spekulation aber in zweierlei Hinsicht begrenzt:

  • Die Kalkulation muss sich an die vorgegebenen Grenzen der Ausschreibung halten.
  • Die Kalkulation muss betriebswirtschaftlich plausibel sein.

Diese beiden Grenzen können übereinanderliegen, aber auch unterschiedlich sein. Zum Beispiel kann eine betriebswirtschaftlich plausible Kalkulation ausschreibungswidrig sein.

Ein Anlassfall
Im Fall der Entscheidung des Bundesverwaltungs­gerichts (BVwG) vom 30. 1. 2019, W138 2210940-1/23E, waren diese Grenzen umstritten.

Die Ausschreibung enthielt in vier Haupt­gruppen Positionen für zeitgebundene Baustellengemein­kosten (für das Einrichten und Räumen der Baustelle erfolgte keine Aufteilung in mehrere Positionen). Ein Bieter hatte in drei dieser zeitgebundenen Positionen einen Preis von null angeboten und dies vor allem damit gerechtfertigt, dass die Kosten bei Wegfall ­dieser drei Positionen trotzdem ganz über­wiegend (oder sogar zur Gänze) in der vierten Hauptgruppe anfallen würden, weil das Personal trotzdem vorgehalten werden müsste. Wenn die Kosten aufgeteilt worden wären und während der Ausführung Leistungen aus einer der drei anderen (mit null ausgepreisten) ­Positionen entfielen, würden die Kosten, die in der vierten Position dennoch zur Gänze ­anfallen, nicht mehr vollständig vergütet werden.

Der Auftraggeber hat das Angebot ausgeschieden, das BVwG hat dies bestätigt. Ob eine unzulässige ­spekulative Preisgestaltung vorlag, war diesbezüglich nicht relevant, da jedenfalls der Ausscheidensgrund des § 141 Abs 1 Z 7 BVergG (den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot) vorlag.

Schlussfolgerung und Praxistipp
Nun mag man darüber streiten, ob die Kalkulation im geschilderten Fall betriebswirtschaftlich plausibel war oder nicht. Das ändert aber nichts daran, dass nach der BVwG-Entscheidung die zweite Grenze – Vorgaben der Ausschreibung – nicht einge­halten wurde. Wenn der Auftraggeber vorgibt, die zeit­gebundenen Kosten auf mehrere Positionen aufzuteilen, ist dies auch so anzubieten. In welchem Verhältnis diese Aufteilung erfolgt, beinhaltet sicherlich einen kalkulatorischen Spielraum, da dieses Verhältnis nicht vorgeschrieben ist und eine zulässige Bandbreite für Überlegungen (und Erfahrungswerte, auf die sich der Kalkulant stützen darf und muss) besteht. Aber die gesamten Kosten auf eine Position zu kalkulieren überschreitet wohl diesen Spielraum.

Im Falle von Nullpreispositionen besteht nach der Judikatur bereits die Vermutung unzulässiger Spekulation. Ein Positionspreis von null kann im Einzelfall schon betriebswirtschaftlich plausibel sein, aber dass keine Kosten anfallen, muss grundsätzlich aus der für diese Position beschriebenen Leistung heraus erklärbar sein, nicht dadurch, dass Kosten in andere Positionen verschoben wurden.

Freilich kommt es vor, dass Ausschreibungen derart fehlerhaft oder suboptimal erstellt werden, dass eine ausschreibungskonforme Kalkulation ­schwierig ist und/oder im Fall von Änderungen während der Ausführung massive Nachteile zu befürchten sind. Aber der vergaberechtlich zulässige Weg, damit umzugehen, wäre nicht die Abweichung von den Ausschreibungsvorgaben. Zulässig wäre das Er­­suchen um Berichtigung der Ausschreibung – und, falls das nicht gelingt, die gerichtliche Anfechtung der Ausschreibung – in den gesetzlichen Fristen, daher jedenfalls vor Ende der Angebotsfrist.

Quelle:
Gastkommentar RA Mag. Thomas Kurz: Spekulation und Kostenumlagerung, in: Österreichische Bauzeitung (2019), Ausgabe 17, S.39