Digitalisierung und Recht

BIM-Knowhow als Eignungs-, Auswahl- oder Zuschlagskriterium?

 

Die von der Plattform 4.0 initiierte und von der IG Lebenszyklus Bau entsprechend begleitete Schrift „BIM in der Praxis: Digitalisierung und Recht“ verschafft Überblick zu vergabe- und vertragsrechtlichen Grundlagen, die rund um BIM im Gebäudelebenszyklus zu beachten sind.

Der Artikel von Philipp J. Marboe und Dominik König befasst sich mit dem Thema „BIM und Vergaberecht“. Angesichts des weithin erfolgten Einsatzes von BIM ist die Frage nicht, ob BIM in Ausschreibungen Einzug halten wird, sondern lediglich wann. Bis es so weit sein wird, gilt es zu untersuchen, ob das vorhandene Vergaberecht geeignet ist, Lösungen anzubieten.

Den ersten Auszug davon können Sie unter unserem News-Beitrag "BIM- und Vergaberecht" nachlesen.

Im Folgenden finden Sie einen weiteren Auszug des Berichts. Den vollständigen Artikel sowie die gesamte Schriftenreihe können Sie über die Plattform 4.0 ansehen und downloaden.

BIM-Knowhow als Eignungs-, Auswahl- oder Zuschlagskriterium?


Wie bei jeder Ausschreibung müsste ein Auftraggeber bei einer BIM-Vergabe entsprechende Eignungs-, allenfalls Auswahl- und Zuschlagskriterien vorsehen und die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben beachten.

Demnach ist in einer Ausschreibung zwischen Eignungs- und Auswahlkriterien einerseits und Zuschlagskriterien andererseits strikt zu unterscheiden:

  • Eignungs- und Auswahlkriterien müssen unternehmensbezogen sein, während Zuschlagskriterien (beim Bestbieterprinzip) auftragsbezogen zu sein haben und nicht diskriminieren dürfen.
  • Eignungskriterien sind Mindestanforderungen, anhand derer der Auftraggeber die finanzielle und wirtschaftliche bzw technische Leistungsfähigkeit, die Befugnis und die Zuverlässigkeit der Bewerber bzw Bieter prüft. Es gilt sohin lediglich ein Mindestmaß an Qualität festzusetzen. Letzteres ist zu erfüllen, eine weitere Differenzierung erfolgt nicht. Dies ist hingegen bei Auswahl- bzw. Zuschlagskriterien der Fall.
  • Auswahlkriterien müssen eine abgestufte Bewertung der Qualität des Unternehmens zulassen, damit der Auftraggeber den Teilnehmerkreis für die zweite Verfahrensstufe einengen kann. Dazu muss der Auftraggeber nicht diskriminierende, auf den Leistungsinhalt abgestimmte, unternehmensbezogene Kriterien festlegen.
  • Die Zuschlagskriterien, anhand derer das technisch und wirtschaftlich "günstigste" Angebot ermittelt wird, müssen mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen. Auch Zuschlagskriterien dürfen nicht diskriminierend sein und dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen.

In Hinblick auf BIM gilt es zu bedenken, dass Eignungs- und Auswahlkriterien bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse der Unternehmen betreffen, d.h. Leistungen in der Vergangenheit, die ein Unternehmen erbracht  hat. Bei der Festlegung der Zuschlagskriterien blickt der Auftraggeber hingegen auf die ausschreibungsgegenständliche Leistung. Diese Leistung gilt es erst zu beschaffen, in ihrer konkreten Ausgestaltung existiert sie noch nicht. Somit sind Zuschlagskriterien zukunftsgerichtet.

In Bezug auf BIM hat ein Auftraggeber folglich die Wahl den Fokus mehr auf Erfahrung und bestehende Referenzen zu legen (Eignungs-, Auswahlkriterien) oder auf eine erst zu erbringende Leistung (Zuschlagskriterien). Je nachdem wird in der Ausschreibung entweder arrivierten Unternehmen, die bereits mit BIM gearbeitet haben, oder "Newcomern" eine größere Chance eingeräumt.

Grundsätzlich muss die Kriterien-Auswahl des Auftraggebers über die Voraussetzungen der einzelnen Kriterien hinaus den allgemeinen Grundsätzen des Vergabeverfahrens entsprechen.

BIM und Honorarordnungen


Erfahrungen in der deutschen Praxis haben gezeigt, dass die Verwendung von BIM Probleme bezüglich des Preisrechts (Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen – HOAI) aufwirft. Kernpunkt hierbei ist, dass die HOAI ebenfalls ein sequentielles Modell darstellt. Die in Österreich gängige Verrechnungsgrundlage – die Honorarordnung für Architekten (HOA) – ist ähnlich aufgebaut.

Diese Honorarproblematik würde sich bei der Verwendung von BIM vergaberechtlich vor allem auf die Vergleichbarkeit von Angeboten auswirken. Als Lösungsansatz könnte der Auftraggeber die HOA als Leitlinie iSd BVergG vorgeben und je nach Bedarf davon abweichen bzw. an die Bedürfnisse des BIM anpassen. Allfällige Lücken könnten etwa durch eine Abrechnung auf Stundenbasis geschlossen werden. Eine inhaltlich konsequentere bzw. ganzheitlichere Lösung bestünde freilich darin, die Leistungsbeschreibung BIM-spezifisch "neu" vorzunehmen.

Geheimhaltungspflichten


Ein nicht zu unterschätzendes Problemfeld bei einer BIM-Vergabe wären die dem Vergaberecht inhärenten Geheimhaltungspflichten. So muss beispielsweise bei Verhandlungsverfahren die Identität der Bieter bis zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung geheim bleiben.

Während das Vergabeverfahren von Vertraulichkeit und Geheimhaltung geprägt ist (insbesondere was Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen anbelangt), steht die BIM-Methode für hohe Transparenz und Kommunikationsdichte, damit alle am Projekt Beteiligen mit dem gleichen Informationsstand arbeiten können.

Ist der Austausch zwischen den Verfahrensteilnehmern dennoch notwendig, müsste die Vertraulichkeit der von den Parteien offenbarten Informationen gewahrt bleiben. Der damit verbundene Aufwand wäre beträchtlich: präzise Offenlegungs- und Nutzungsvereinbarungen, Anonymisierung sowie Einhaltung der Vorgaben der Datenschutz- Grundverordnung der EU. Trifft der Auftraggeber diese Vorkehrungen jedoch nicht, droht ihm im schlimmsten Fall die Nichtigerklärung des gesamten Verfahrens.

Weiterführende Informationen


In einem weiteren Artikel der Schriftenreihe zeigen Stephan Heid und Berthold Hofbauer die „Möglichkeiten der Vorschreibung von BIM in der Praxis“ auf.

Die vollständigen Artikeln sowie die gesamte Schriftenreihe können Sie über die Plattform 4.0 ansehen und downloaden.

Quelle:
Philipp J. Marboe / Dominik König: BIM und Vergaberecht, in: Gerald Goger und Wilhelm Reismann als Leitung der Plattform Planen.Bauen.Betreiben 4.0 – Arbeit.Wirtschaft.Export: BIM in der Praxis – Digitalisierung & Recht, Schriftenreihe der österreichischen Plattform 4.0, Schrift 13 Digitalisierung & Recht, November 2018, S. 12ff