Pönalisierte Fertigstellungstermine

Schriftliche Vereinbarungen können vielen Streitpunkten vorbeugen

 

Auf der Baustelle kommt es im Zuge der Ausführungsphase regelmäßig zur Abänderung des Bauablaufs. Die Frage ob die pönalisierten Fertigstellungstermine dabei strafbewehrt blieben, wird oftmals erst im Zuge der Schlussrechnungslegung oder vor Gericht geklärt. Schriftliche Vereinbarungen können vielen Streitigkeiten vorbeugen. 

Zum Anspruch auf Vertragsstrafe

Der Anspruch des AG auf Leistung einer vereinbarten Vertragsstrafe durch den AN entsteht, sobald der AN in Verzug gerät und nicht nachweisen kann, dass er oder seine Erfüllungsgehilfen den Verzug nicht verschuldet haben. Gemäß Pkt. 6.5.3.1 ÖNorm B2110 bleiben bei einvernehmlicher Verlängerung der Leistungsfrist die Vertragsstrafen für die anstelle der alten Termine tretenden vereinbarten Termine aufrecht. Die neuen strafbewehrten Fertigstellungstermine sind ausdrücklich als solche zu vereinbaren. Daher kommt konkreten vertraglichen Regelungen zur Beurteilung der Frage, ob die Rechtsfolge der ÖNorm-Regelung eintritt, besondere Bedeutung zu. Nachstehende Entscheidung zeigt (wieder einmal), dass schriftliche Vereinbarungen Streitigkeiten im Nachhinein vermeiden könnten. 

Zur Entscheidung OGH 27.04.2016, 7 0b 68/16z Im gegenständlichen Fall verpflichtete sich der beklagte Werkunternehmer zur Erbringung von Bauleistungen für zwei am selben Standort gelegene Objekte. Deren Fertigstellung war mit 15.10.2011 (Objekt 1) und 15.09.2011 (Objekt 2) pönalisiert. In der Ausführungsphase kam es zur einvernehmlichen Abänderung des Bauablaufs dahingehend, dass entgegen der ursprünglichen Planung zuerst das Objekt 1 und in weiterer Folge das Objekt 2 gebaut werden sollte. Die Gründe dafür lagen weder in der Sphäre des AG noch in jener des AN. Der AN konnte in der Folge die Fertigstellungstermine nicht einhalten. Strittig war ob in diesem Fall die oben zitierte ONORM Regelung zur Anwendung kommt, sodass die Vertragsstrafe – trotz Änderung im Bauablauf – vom AN zu leisten war. Der AN stand auf dem Standpunkt, dass es zwar zu einer einvernehmlichen Verlängerung der Leistungsfrist, nicht aber zu einer Vereinbarung neuer, pönalisierter Fertigstellungstermine gekommen war. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dass überhaupt keine einvernehmliche Verlängerung der Leistungsfrist vorlag, weshalb die ursprünglich vereinbarten pönalisierten Fertigstellungstermine aufrecht blieben. Begründend führte das Berufungsgericht aus, dass es zu keinen Verzögerungen gekommen war. Es sei lediglich zu einem Austausch der datumsmäßig unverändert gebliebenen Fertigstellungstermine gekommen, die es deshalb entsprechend der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung weiter als pönalisiert ansah. Der in Verzug geratene AN verwies in seinem Rechtsmittel darauf, dass es sich um nicht vergleichbare Fallkonstellationen handelte und die Pönalisierung der neuen Fertigstellungstermine nicht im Sinne der ÖNORM B2110 festgehalten worden seien. Der OGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts und begründete dies wie das Berufungsgericht damit, dass es durch die Abänderung des Bauablaufs zu keinen Verzögerungen gekommen war und daher die ursprünglich vereinbarten Leistungsfristen aufrecht geblieben waren (und daher auch die Pönalen).

Praxistipp

Der Meinung des OGH ist nur dann zuzustimmen, wenn die Abänderung im Bauablauf tatsächlich zu keiner Erschwernis für den AN führte (z.B. Umdisponierung des Personals, Geräte übersiedeln etc.) sodass ihm ein Anspruch auf Bauzeitverlängerung zukommt. Anderenfalls ist der Tausch der Termine nämlich als einvernehmliche Verlängerung der Leistungsfrist zu sehen. Im konkreten Fall hätte es einer Regelung im Vertrag bedurft, wonach Änderungen im Bauablauf – auch wenn dadurch keine Verzögerungen eintreten – dazu führen, dass pönalisierte Termine neu vereinbart werden müssen. Die schriftliche Vereinbarung ist notwendig da ÖNORMEN objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen sind. Das heißt, selbst wenn die Parteien vor Vertragsabschluss besprochen hätten, dass die oben angeführten Beispiele zu einem Wegfall der Vertragsstrafe führen, könnte der vom Wortlaut der ÖNORM Bestimmung abweichende Parteiwille nicht zur Auslegung herangezogen werden. Aus diesem Grund sollte jede Abweichung von Bestimmungen der ÖNORM B2110 ausdrücklich schriftlich im Bauvertrag festgehalten werden. Nur so können Auslegungsprobleme im Nachhinein vermieden werden.

(Quelle: bauzeitung - Ausgabe 17/2017)